In unserer aktuellen Studie wenden wir uns dem Problem zu, wie man neue Infektionen erkennen kann. Wir untersuchen die Frage am Beispiel der SARS-CoV-2 Infektion. Während der Pandemie wurde häufig getestet und es war einfacher festzustellen, ob jemand eine neue Infektion hatte. Nach dem Ende der Pandemie wird weniger häufig getestet. Eine Infektion kann man auch nachträglich anhand der spezifischen Antikörper nachweisen. Allerdings hatten inzwischen viele Personen mehrere Impfungen oder Infektionen. Dadurch verändern sich die Antikörperspiegel im Blut stetig, und typische Symptome treten nicht immer auf. Unsere aktuelle Untersuchung aus der DigiHero-Studie zeigt, dass gängige Kriterien, wie das alleinige Vorliegen von Symptomen, die auch durch andere Erreger verursacht werden können, oder der Nachweis einer Serokonversion, Infektionen häufig übersehen.
Um zuverlässigere Kriterien zu entwickeln, werteten wir Daten aus einer prospektiven Haushaltsstudie mit 389 Personen aus. Die Teilnehmenden gaben zwei Blutproben im Abstand von sechs bis acht Wochen ab. Diese Proben wurden auf Antikörper gegen das Spike-(S) und das Nucleocapsid-(N) -Protein untersucht. Dabei betrachteten wir nicht nur das erstmalige Auftreten von Antikörpern, sondern insbesondere auch, ob vorhandene Antikörper deutlich anstiegen. Solche Titeranstiege können entstehen, wenn das Immunsystem erneut mit dem Virus in Kontakt kommt.
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Die Bedingung einer reinen Serokonversion unterschätzt die Anzahl der stattgefundenen Infektionen – insbesondere dann, wenn Erkrankungen mild oder asymptomatisch verlaufen oder wenn es sich um eine erneute Infektion handelt. Auch symptombasierte Kriterien sind nicht ausreichend, da sie einerseits asymptomatische Infektionen unberücksichtigt lassen und andererseits Beschwerden anderer Atemwegserreger miteinbeziehen können. Dadurch entsteht ein unvollständiges Bild des tatsächlichen Infektionsgeschehens.
Am zuverlässigsten war die Kombination zweier serologischer Kriterien: Entweder ein deutlicher Anstieg der Antikörtertiter über das erwartbare Messrauschen hinaus oder eine Serokonversion. Diese Herangehensweise identifizierte Infektionen am umfassendsten und basierte auf objektiven Laborbefunden – unabhängig davon, ob Symptome auftraten oder ein positiver Selbsttest vorlag.
Die Studie zeigt damit, dass sorgfältig definierte serologische Kriterien in einer weitgehend immunisierten Bevölkerung entscheidend sind, um Infektionen realistisch abzubilden. Die Methode eignet sich nicht nur für SARS-CoV-2, sondern könnte auch für andere Erreger wie Influenza oder RSV genutzt werden, bei denen asymptomatische Verläufe und erneute Infektionen ebenfalls häufig vorkommen.