INSIDe

Integrative Modellierung der Ausbreitung von schweren Infektionskrankheiten

Projektinhalte und Ziele

Um wirksame und gleichzeitig angemessene Maßnahmen bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten wie in der Corona-Pandemie ergreifen zu können, benötigen politische Entscheidungsträger:innen die bestmögliche Informationsgrundlage zum Infektionsgeschehen. Für die allermeisten Infektionskrankheiten fehlt jedoch die Informationsgrundlage, da offiziell gemeldete Fallzahlen aufgrund mangelnder Verfügbarkeit oder Zuverlässigkeit von Tests zum Nachweis der Infektion häufig nicht repräsentativ sind.

Eine von Tests und offiziell gemeldeten Fallzahlen unabhängige Datenquelle stellt das Abwasser dar, wo sich viele Informationen zu Krankheitserregern finden lassen. Ziel von INSIDe ist es, eine Software-Plattform zu entwickeln, mit der die Ausbreitung von im Abwasser nachweisbaren Infektionskrankheiten simuliert und Infektionsausbrüche frühzeitig erkannt werden können. Zudem soll die Plattform die Simulation der Krankheitsausbreitung unter verschiedenen Bedingungen ermöglichen, um die Auswirkungen möglicher Maßnahmen oder Teststrategien auf das Infektionsgeschehen einschätzen zu können.

Projektaufbau

Das Projekt INSIDe betseht aus fünf Arbeitspaketen.

Arbeitspaket 1 - INSIDe Plattform

In AP1 wird die INSIDe-Softwareplattform entwickelt. Diese dient zur Integration mehrerer mathematischer Modelle, die verschiedene Aspekte des Infektionsgeschehens auf Basis unterschiedlicher Daten modellieren und zu einem komplexen Modell vereint werden sollen. In den letzten Jahren wurden bereits verschiedene Modelle für die Simulation der Ausbreitung von Infektionskrankheiten entwickelt. Diese sind jedoch in ihrer Vorhersagegenauigkeit begrenzt, u.a. aufgrund unzulänglicher Datenbasis, da sie beispielsweise nicht die Integration von Abwasserbeobachtungen ermöglichen. Durch die Kombination verschiedener, auf unterschiedlichen Daten basierender Modelle mit Hilfe der INSIDe-Plattform wollen wir die Vorhersagegenauigkeit der Simulation verbessern. Dies wird in einer einfacheren Bewertung und Vorhersage der Ausbreitung von Infektionskrankheiten resultieren.

Arbeitspaket 2 - Epidemiologische Modelle

In AP2 wird ein modulares Open-Source-Simulationstool für die gleichzeitige Übertragung mehrerer Infektionskrankheiten wie SARS-CoV-2 entwickelt. Die Modularität des Software-Frameworks erlaubt es, einzelne Modelle gegen andere auszutauschen, um so beispielsweise den Effekt von neuen Varianten oder Wechselwirkungen zu betrachten. Die effiziente Implementierung garantiert dabei die optimale Nutzung der verfügbaren Rechenressourcen, um verschiedene Szenarien betrachten zu können. Das Modell soll eine anpassbare räumliche Auflösung verwenden, um der Dynamik des Infektionsgeschehens gerecht zu werden. Des Weiteren wird durch die Umsetzung verschiedener Test- und Meldemodelle berücksichtigt, dass nichtsymptomatische Fälle beispielsweise kaum detektiert werden, wenn hauptsächlich symptombezogen getestet wird.

Arbeitspaket 3 - Detaillierte Kanalnetzmodelle

In AP3 werden detaillierte rechnergestützte Modelle für Kanalisationsnetze von Stadtteilen zur Überwachung von Infektionskrankheiten entwickelt. Viele Krankheitserreger sind im Abwasser nachweisbar und ein großer Vorteil der Abwasseruntersuchung ist, dass sie unabhängig von Test- und Meldestrategien ist und ein Bild des Infektionsgeschehens in der gesamten Bevölkerung liefern kann. Das detaillierte Modell wird Erkenntnisse aus Abwasserprobenmessungen auf das Infektionsgeschehen liefern und zudem die Bestimmung der Region erleichtern, in der das Virus am wahrscheinlichsten in das Abwassernetz freigesetzt wurde.

Das detaillierte Modell wird es ermöglichen, aus den Abwasseruntersuchungen an verschiedenen Stellen im Kanalnetz Aussagen abzuleiten, wo im Siedlungsgebiet eine erhöhte Zahl Infizierter gegeben ist.

Arbeitspaket 4 - Grobmaschige Kanalnetzmodelle

Neben der Implementierung einer maschinellen Schnittstelle zwischen Kanalnetzmodellen und der INSIDe Softwareplattform, werden in AP4 Ansätze für die automatische Konstruktion von vergröberten, rechnergestützten Modellen für Kanalisationsnetze von Großstädten zur Überwachung von Infektionskrankheiten entwickelt. Eine Vergröberung des Kanalnetzmodells kann in bestimmten Fällen aus Rechenzeitgründen sinnvoll sein und ist notwendig, da die Konstruktion detaillierter Modelle für ganze Städte zu aufwändig und teuer ist oder die erforderlichen Informationen nicht verfügbar sind (wie z.B. für viele Städte in Ländern des globalen Südens).

Arbeitspaket 5 - Datenerhebung

In AP 5 werden bestehende Datensätze zur Unterstützung der Konstruktion von Modellen für das Kanalnetzsystem, zur Validierung der INSIDe-Plattform und zur Bewertung der Möglichkeit, Abwasserproben in Frühwarnsystemen zu verwenden, ergänzt. Zu diesem Zweck werden Pulse-Chase-Experimente im Kanalnetz an Standorten in München und Addis Abeba durchgeführt, die Informationen über die Strömungsmuster im Abwassernetz liefern werden. Des Weiteren werden gezielte Analysen von Abwasserproben durchgeführt, welche Informationen über ausgewählte Infektionskrankheiten liefern. Zudem werden ungezielte DNA- und RNA-Sequenzierungen von Abwasserproben für die Einrichtung eines Frühwarnsystems durchgeführt. Die Sequenzierungsergebnisse werden mit den Einträgen einer Datenbank für Krankheitserreger abgeglichen, um unvorhergesehene Krankheitserreger im Abwasser zu erkennen.

Projektverantwortliche und -partner

Prof. Dr. Jan Hasenauer

Universität Bonn

PD Dr. Andreas Wieser

Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München

Prof. Dr. Christian Schaum

Prof. Dr. Steffen Krause

Universität der Bundeswehr

Dr. Martin Kühn

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Dr. Andreas Hofmann

Gerald Angermair

Tandler