Im Rahmen eines Workshops des Modellierungsnetzes für schwere Infektionskrankheiten haben die Teilnehmer:innen mögliche Szenarien für den weiteren Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie im Herbst und Winter 2022/2023 simuliert und in einem gemeinsamen Statement veröffentlicht. Insgesamt wurden drei definierte Szenarien erarbeitet, die sich im Auftreten, der Übertragungsdynamik und dem Risiko für schwere Infektionen neuer Virusvarianten unterscheiden. Ziel dieser Modellierung waren Vorhersagen über das potenzielle Infektionsgeschehen, sowie die Belastung der Krankenhäuser und die Effektivität von Impfkampagnen.
Vollständige Pressemitteilung des Universitätsklinikums Halle vom 06.10.2022
Das Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (Modellierungsnetz) hat ein Kurzstatement zu möglichen Verläufen für die Corona-Pandemie im kommenden Herbst und Winter veröffentlicht. Die bundesweit angesiedelten Forschungsverbünde im Modellierungsnetz werden durch die Universitätsmedizin Halle koordiniert. Insgesamt wurden drei definierte Szenarien simuliert, die sich im Auftreten, der Übertragungsdynamik und dem Risiko für schwere Infektionen neuer Virusvarianten unterscheiden. Dadurch konnten Einschätzungen zum potenziellen Infektionsgeschehen, der Belastung der Krankenhäuser und der Effektivität von Impfkampagnen gegeben werden.
Durch bisherige Impfkampagnen und das vorangegangene Infektionsgeschehen sind große Teile der Bevölkerung grundlegend gegen COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) immunisiert. „Deshalb gehen wir von einem relativ guten Schutz gegen einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion mit den aktuell in Deutschland verbreiteten Varianten aus“, sagt Juniorprofessor Dr. Alexander Kuhlmann, Leiter der Koordinierungsstelle des Modellierungsnetzes an der Universitätsmedizin Halle. „Sollte eine neue Virusvariante auftreten, die den erworbenen Immunschutz der Bevölkerung teilweise umgeht, könnte sich die Situation jedoch verschärfen.“ Dies war bereits im Verlauf des Jahres 2022 zu beobachten, als verschiedene Subvarianten der Omikron-Variante mehrere Infektionswellen auslösten. Im Rahmen des Modellierungsnetzes wurden drei mögliche Szenarien definiert, die sich hinsichtlich des Auftretens und der Eigenschaften einer neuen Variante unterschieden. „Dabei wurden die Szenarien nur sehr grob vorgegeben, sodass jede der sieben beteiligten Modellierungsgruppen eigene Annahmen zu konkreten Parameterwerten treffen konnte. Trotz dieser Variabilität ließen sich die Ergebnisse der einzelnen Modellierungen gut vergleichen“, so Kuhlmann.
Im ersten Szenario wurde angenommen, dass in diesem Zeitraum keine neue Virusvariante auftritt. Die Simulationen zeigten hier, dass im Verlauf des Winters eine Infektionswelle zu erwarten sei, die wahrscheinlich zu keiner übermäßigen Belastung der Krankenhäuser führe. Allerdings könne es wegen vieler Infektionen zu einer Verschärfung des Personalmangels in kritischen Infrastrukturen kommen. Im zweiten Szenario wurde angenommen, dass sich eine neue Virusvariante durchsetzt, die zwar den bisherigen Immunschutz teilweise umgeht, aber kein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe aufweist. Dies resultiere voraussichtlich in einer Belastung des Gesundheitssystems, die in der Größenordnung der bisherigen Spitzenwerte während der Omikron-Welle Anfang 2022 liegen. Im dritten Szenario wurde ebenfalls angenommen, dass sich eine neue Virusvariante mit Umgehung des Immunschutzes durchsetzt. Im Gegensatz zum zweiten Szenario führt diese hypothetische neue Variante zusätzlich zu schwereren Verläufen, ähnlich zur Delta-Variante aus der zweiten Jahreshälfte 2021. In diesem Fall könnten die bisher erreichten Spitzenwerte der Krankenhausbelastung in der Pandemie deutlich überschritten werden.
Die Simulationen zeigten, dass eine im Oktober beginnende Impfkampagne, beispielsweise mit angepassten Impfstoffen – vor allem im zweiten und dritten Szenario – die Anzahl der Menschen, die mit einer COVID-19-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssten, maßgeblich reduziere. Insbesondere im dritten Szenario sei es jedoch möglich, dass Impfstrategieänderungen alleine nicht ausreichend sind, um unterhalb der bisherigen Spitzenwerte bei Krankenhausbelegungen zu bleiben. „Konkretere Aussagen zur erwarteten Gefährdung und möglichen Gegenmaßnahmen sind erst dann möglich, wenn sich eine neue Virusvariante tatsächlich durchsetzt und wir über Daten zur Ausbreitungsdynamik und zum Risiko für schwere Krankheitsverläufe verfügen“, so Kuhlmann.