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In unserer aktuellen Sommerausgabe dreht sich alles um das Thema Sport und Freizeit. Dafür haben wir Ihre Fragebögen ausgewertet und untersucht, womit unsere LöwenKIDS ihre Freizeit verbringen. So viel sei gesagt: Manch ein Löwenkid hat ziemlich ausgefallene Hobbys.
Falls Sie noch Ideen brauchen, welche Sportart passend für Ihr Kind ist, dann können Sie sich über neue sogenannte Trendsportarten im Newsletter informieren. Außerdem gibt Ihnen Prof. Dr. Zimmer im Experteninterview wertvolle Tipps, wie Sie Ihr Kind für sportliche Aktivitäten begeistern können.
Bewegung für Kinder – Interview mit Prof. Dr. Renate Zimmer
Warum ist Bewegung wichtig für Kinder?
Bewegung stellt ein Grundbedürfnis des Menschen dar, das sehen wir am besten am Verhalten der Kinder: Sie rennen, klettern, springen, nutzen jede Mauer zum Balancieren und bewegen sich intuitiv viel mehr als Erwachsene, denen es oft schwerfällt, im Alltag körperlich aktiv zu sein.
Kinder brauchen Bewegung, um sich gesund zu entwickeln, ihre Muskulatur bracht Wachstumsreize, die Knochenstruktur wird über Bewegungsaktivitäten gestärkt, das Herz-Kreislaufsystem wird durch Rennen und Toben herausgefordert – all das trägt zum physischen, aber auch zum psychischen Wohlbefinden bei. Kinder sind ausgeglichener und zufriedener, wenn sie sich ausreichend bewegen können. Sie lernen sich einzuschätzen und mit Risiken umzugehen. Sie erleben, dass sie imstande sind etwas zu leisten und dass Anstrengung den Erfolg näherbringt. So gewinnen sie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, lernen auch mit Misserfolgen umzugehen – und sich nicht so leicht damit zufrieden zu geben, wenn ihnen etwas nicht von vornherein gelingt. Das ist ein gutes Training auch für die Herausforderungen im Alltag.
Ist das Sitzen in der Schule schädlich für den heranwachsenden Organismus?
Ja – die Schule ist leider immer noch eher eine Sitzschule und nicht eine bewegte Schule – wie es für das gesunde Aufwachsen der Kinder – aber auch für das Lernen viel unterstützender wäre.
Von den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Sitzens sind Kinder ganz besonders betroffen: Es trifft sie zu einem Zeitpunkt, in dem die Gelenke und die Wirbelsäule noch in der Entwicklung befindlich sind, die Gefahr von Fehlhaltungen und Muskelverkürzungen sind die Folge.
Glücklicherweise wehren sich die Kinder intuitiv dagegen. Sie kippeln und wackeln auf ihren Stühlen, springen immer wieder auf und laufen im Klassenraum herum – und machen den Erwachsenen klar, dass starres Sitzen für ihr Wohlbefinden, aber auch für ihre Aufmerksamkeit und das Lernen nicht unbedingt förderlich ist.
Wenn das Sitzen nicht ganz zu umgehen ist dann sollten wenigstens einige wichtige Regeln beachtet werden. Besonders schädlich ist dauerndes „Stillsitzen“ – wie es so oft gerade von Schulanfängern gefordert wird. Deswegen gilt:
– Das Sitzen so oft wie möglich unterbrechen
– Die Sitzposition so oft wie möglich ändern
– Anstelle von Stühlen alternative Sitzgelegenheiten verwenden, die ein aktives Sitzen ermöglichen.
Alternative Sitzmöglichkeiten sind z.B. Hocker oder auch große Sitzbälle (der Körpergröße angepasst). Sie ermöglichen ein dynamisches Sitzen. Das Gleichgewicht muss permanent reguliert werden. Man sitzt aufrecht, der Rücken ist aufgerichtet – diese aktive Position kann jedoch nicht über längere Zeit gehalten werden, ein entspanntes Sitzen mit Anlehnung wie bei einer Stuhllehne ist nicht möglich. Deswegen sollte neben dem Sitzball immer noch ein anderes Sitzgerät vorhanden sein.
Und wie kann ich zu Hause bei den Hausaufgaben das Sitzen vermeiden?
Lassen Sie die Kinder den Ort für die Hausaufgaben selbst auswählen. Auch auf dem Boden liegend können sich die Kinder gut konzentrieren, wenn sie z.B. einen Text lesen. Regen Sie die Kinder an, beim Lernen von Vokabeln oder Auswendiglernen eines Textes dies mit Bewegung zu verbinden. So prägen sich auch Texte besser ein.
Für Kinder wie für Erwachsenen gilt: Schon bei einer kleinen Bewegungseinheit erhöht sich die Durchblutung im Gehirn um 20 bis 30 Prozent. Damit wird das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt, die Aufmerksamkeit steigt, die Konzentration fällt leichter.
Bewegungsaktivitäten stören den die Konzentration also nicht – wie viele Erwachsenen meinen. Sie stellen erst die Bedingungen dafür her, dass Aufmerksamkeit und Konzentration über eine längere Zeit beibehalten bzw. wieder hergestellt werden können.
Welche langfristigen Auswirkungen hat Bewegungsmangel von Kindern?
Der kindliche Organismus reagiert sehr sensibel auf den Mangel an Herausforderungen und Anpassungsleistungen. Wenn das Knochen- und Skelettsystem in jungen Jahren nicht belastet wird kann es nicht zu seiner vollen Stärke heranwachsen.
Außerdem: Bewegungsmangel in der Kindheit führt häufig zu einem inaktiven Lebensstil im Jugend- und Erwachsenenalter, dieser gehört zu den größten gesundheitlichen Risikofaktoren. Viele Zivilisationserkrankungen, unter denen Erwachsene leiden, haben ihren Ursprung in der Kindheit und sind auf einen Mangel an Bewegung zurückzuführen. Bewegungsmangel ist also so etwas wie ein Pulverfass – die Ursachen für viele Erkrankungen liegen im Nichtgebrauch der Organe, Muskeln, Knochen – die Auswirkungen zeigen sich in späteren Lebensjahren – in Form von Bluthochdruck, Diabetes, Osteoporose.
Wie viel Bewegung brauchen Grundschüler?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Leitlinien zur körperlichen Aktivität von Kindern herausgegeben. Für ein gesundes Aufwachsen von Kindern werden u.a. folgende Empfehlungen ausgesprochen:
Kinder im Alter von ein bis vier Jahren sollen sich mindestens 3 Stunden täglich bewegen, dabei sollte eine Vielzahl von Aktivitäten und Bewegungsarten möglich sein. Bei Kindern über drei Jahren sollten darin auch mindestens 60 Minuten mit mittlerer und größerer Anstrengung enthalten sein, die sich über den Tag verteilen können. Sie sollten nicht über einen längeren Zeitraum hinweg körperlich inaktiv sein, konkret sollten sie nicht mehr als eine Stunde im Sitzen verbringen.
Für Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 17 Jahren werden täglich mindestens 60 Minuten körperlicher Aktivität mit mittlerer bis starker Intensität empfohlen, also z.B. Radfahren, Trampolinspringen oder Toben. Andersherum sollte ein Kind nicht mehr als eine Stunde körperlich inaktiv sein, wie es manchmal bei langen Autofahrten oder vor Tablet und Fernseher der Fall ist. Natürlich ist die Umsetzung nicht immer realistisch, aber diese Faustregeln geben doch eine gute Orientierung.
Wie können Eltern ihre Kinder begeistern sich zu bewegen?
Eltern sind Vorbilder und wenn sie selbst gerne Sport und sich viel bewegen, wird sich das auch auf ihre Kinder übertragen. Es kommt auch darauf an, wie sie den Alltag mit den Kindern gestalten: Gemeinsame Schwimmbadbesuche, Fahrradfahren, Toben auf dem Sportplatz, Fußball oder Ballspielen auf der Wiese – es sind oft die kleinen Dinge, Gewohnheiten, die die Kinder von ihren Eltern übernehmen. Auch welche Rolle die Medien zu Hause spielen, ob es für ihre Nutzung Regeln gibt an die sich alle halten müssen (z.B. kein Handy am Esstisch, Begrenzung der Bildschirmzeit) und wie oft Eltern mit den Kindern nach draußen gehen (auch bei weniger gutem Wetter) – all das wirkt sich auch auf die Bewegungsfreudigkeit der Kinder aus.
Welche Sportarten eignen sich besonders, um Kindern Lust an Sport zu machen?
Dazu ist grundsätzlich jede Sportart geeignet, an der Ihr Kind Gefallen findet und die ihm Freude bereitet. Eine zu frühe Spezialisierung sollte aber vermieden werden. Also zunächst vielleicht einmal Sportangebote nutzen, bei denen eine gute koordinative Grundausbildung möglich ist. Viele Sportvereine bieten z.B. allgemeine Bewegungsaktivitäten wie eine Ballschule oder Akrobatik oder Parcours an. Es kann auch hilfreich sein, den Kindern erst einmal Schnupperangebote in Vereinen zu ermöglichen, so dass sie selber herausfinden können, wo ihre Talente und Interessen liegen. Wichtig ist aber auch, ob Ihr Kind sich eher für eine Mannschaftssportart oder für individuelle Sportarten wie Judo oder Leichtathletik begeistert. Und schließlich sind ja auch die Freunde wichtig, es fällt leichter in eine neue Sportgruppe einzutreten, wenn man dabei nicht allein ist.
Geben Sie in jedem Fall ihrem Kind die Chance, mehrere Sportarten auszuprobieren, bevor es die richtige für sich entdeckt.
Macht es einen Unterschied, ob Kinder im Verein Sport treiben oder nicht?
Zwar können sich Kinder auch in der Familie und mit ihren Eltern sportlich betätigen und Freude daran entwickeln. Für Sport im Verein sind die Aktivitäten mit den Eltern aber kein gleichwertiger Ersatz. Im Verein spielt das gemeinsame Sporttreiben mit anderen Kindern im Vordergrund, sie lernen von- und miteinander. Wichtig sind auch die Anregungen durch Trainerinnen und Trainer, die ja eine ganz wichtige Rolle beim Einstieg in eine Sportart spielen. Die Kinder erfahren Anerkennung und Wertschätzung von außen, müssen sich aber auch in eine Gruppe einordnen. Außerdem sorgen die festen Übungszeiten im Verein für Regelmäßigkeit. Die Vereinsgruppe oder die Mannschaft sorgt auch für neue soziale Kontakte, über die Schule oder den alltäglichen Freundeskreis hinaus.
Während der Corona-Pandemie war der Bewegungsmangel ein größeres Problem bei Kindern. Kann man die Folgen davon heute noch sehen?
Leider ja – die Folgen der Einschränkungen der sozialen Kontakte, der Schließung von Turnhallen und Schwimmbädern, der Angebote der Vereine führte bei Kindern und Jugendlichen zu einer Zunahme von psycho-physischen Belastungen, die auch heute noch sichtbar sind. Zu den Folgen gehört u.a. auch der Anstieg von Übergewicht und Adipositas, hier gilt ja auch Bewegungsmangel als ein wichtiger Risikofaktor.
Für viele Kinder gehören Tablet, PC, Smartphone und TV schon von klein auf zur täglichen Selbstbeschäftigung, durch die Corona-Pandemie ist diese Tendenz noch verstärkt worden. Über Monate zur Passivität verurteilt worden zu sein, hat zwangsläufig Folgen. Dabei sind Kinder aus sozial schwachen Familien, die in beengten räumlichen Verhältnissen leben, besonders betroffen. Studien haben gezeigt, dass der sozioökonomische Status einen erheblichen Einfluss auf die alltägliche Lebenssituation hat – auch auf das Bewegungsverhalten und den Medienkonsum. Die Corona Pandemie hat diese Entwicklung noch verstärkt: Kinder und Jugendliche bewegten sich weniger und verbrachten deutlich mehr Zeit vor dem Bildschirm. Diese Tendenz ist auch heute noch erkennbar. Wir müssen ihr entgegenwirken, durch eine stärkere Beachtung der körperlich – motorischen Bedürfnisse von Kindern im Alltag, durch mehr Bewegungsangebote in Kitas und Schulen und durch Aufklärung der Eltern über die Bedeutung von Bewegung für die Entwicklung
Wo finden Eltern Anregungen für einen bewegten Alltag mit ihren Kindern?
Renate Zimmer: „Schafft die Stühle ab! Plädoyer für einen bewegten Alltag“ . Freiburg: Verlag Herder
Frau Prof. Dr. Renate Zimmer ist Sport- und Erziehungswissenschaftlerin und lehrte an der Universität Osnabrück. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehört der Zusammenhang von Bewegung und Lernen. Sie hat mehr als 50 Fachbücher zur Unterstützung der Entwicklung von Kindern durch Sport und Bewegung geschrieben.